· 

Vernunft ist wie tot, nur vorher!

In Gesprächen mit Bewerbern höre ich immer öfter den zaghaft formulierten Satz: „Ja meinen Sie denn, dass ich gut genug bin…“

 

Das trifft auch auf Auftragnehmer zu, die bei mir nach einer Zusammenarbeit anfragen.

 

Was die Frage aufwirft, was ist aus dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geworden?

 

Hochqualifizierte Kandidaten, die noch dazu einen lückenlosen Lebenslauf vorweisen können, oftmals sogar „überqualifiziert“ sind, was an sich schon einen sinnfreie Wortschöpfung ist  - fragen sich dennoch, ob sie gut genug sind. Einige entschuldigen sich sogar für die Bewerbung mit den Worten: „…ich weiß, ich bin über 30 Jahre alt…“

 

Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten für dieses Debakel:

 

Die eine Möglichkeit ist, dass dieser zweifelhafte Trend komplett an mir vorbeigegangen ist, denn ich bin so „arrogant“, dass ich mich erst einmal auf alles bewerben würde, was zu mir passt, mir Freude macht und womit ich mich identifizieren kann. Erst im Gespräch mit den AG`s entscheide ich, ob es auch menschlich passt und lehne auch schon einmal ab- selbst wenn alles andere passt.

Sicherlich, auch ich kann den Menschen (Arbeitgebern/Auftraggebern) ohne meine sprichwörtliche Kristallkugel erst einmal nur vor dem Kopf schauen. Auch ein Headhunter kann mal irren- ist mir jüngst erst passiert. Irren ist menschlich, also kein wirklicher Grund zur Sorge. Wenn aber Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht, das wusste schon Bertolt Brecht.

 

Die andere Möglichkeit ist die, dass all das Gerede von jungen Talenten, die möglichst nicht kosten sollten, die in der Regel stets mit befristete Verträge abgespeist werden oder die man via Kurzzeitverträgen ohne jede Sicherheit wie Kündigungsschutz oder Karenzzeit zum Auftragsende einfach mal so in den sprichwörtlichen Wind schießen kann, in den Köpfen von Bewerbern und Auftragnehmern manifestiert haben - wobei wir bei Letzterem einen massiven Schaden zu verzeichnen hätten.

 

Selbstverständlich wird es immer die geben, die ohne Herz, Verstand und Moral mit Beschäftigten umgehen, zumal das leider erst im Nachhinein klar ersichtlich ist, aber wozu ärgern, wenn Wechseln hier das Zauberwort ist.

 

Ich halte es für absolut veraltet, dass man Kandidaten Aufgrund von häufigen Wechseln im Lebenslauf als Wankelmütig bezeichnet und erst einmal Abstand von einer Einstellung nimmt. Teilweise sind Unternehmen derart anmaßend, dass man Bewerber mit solchen Lebensläufen erst gar nicht kontaktiert – unglaublich!

 

Am liebsten sind mir die, die eine wahre Flut von Assessmentcenter auf den Bewerber loslassen, ohne zuvor auch nur ein persönliches Wort gewechselt zu haben.

 

Aber genug von unerfreulichen Beispielen, kommen wir auf das ursprüngliche Thema zurück.

 

Wo ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geblieben und was noch viel wichtiger ist, warum stellen wir Arbeitgeber/Auftraggeber auf einen Sockel?

 

Diese müssen weder verehrt noch angebetet werden.

 

Ein Arbeitsvertrag oder Dienstleistervertrag spiegelt lediglich die Rahmenbedingung einer erfolgreichen Zusammenarbeit und ist somit keinesfalls eine Kapitulationserklärung zu Lasten der eigenen Persönlichkeit.

 

Wer sich also auf Stellenanzeigen mit den Worten „Eigeninitiative- Verantwortungsvoll- auf Augenhöhe“ bewirbt, kann und sollte auch genau das erwarten dürfen.

Wobei Kaffee holen für den/die Chef/in bitte nicht als minderwertige Aufgabe angesehen werden sollte, solange der/die auch mal ein Käffchen vorbeibringt, wenn es auf dem Weg liegt 😉

 

Meine Rat an jeden Suchenden lautet wie folgt:

  • Seid selbstsicher, habt immer eure Fähigkeiten im Hinterkopf und seid stolz auf das, was ihr erreicht habt.
  • Achtet neben den Qualifikationen unbedingt auf den menschlichen Aspekt in jedem Gespräch, völlig egal ob vor Ort oder im virtuellen Meeting.
  • Auch die Frage nach dem Dresscode für ein Vorstellungsgespräch vor Ort ist leicht zu beantworten. Zieht euch für den Job an den Ihr wollt, nicht für den, den ihr habt.
  • Gerade Frauen sollten auf gleiche Bezahlung für alle achten und Unternehmerinnen sollten sich auf keinen Fall auf Projekte einlassen, die von seitens des Auftraggebers ohne jede Karenzzeit einfach so aufgelöst werden können, denn das reißt unter Umständen nicht nur tiefe Löcher in die Kasse, sondern erfordert viel Zeit und Mühe, um die Lücke mit weiteren Aufträgen zu füllen.
  • Neue Auftraggeber sollten sich erst einmal bewähren müssen, bevor man hier Zugeständnisse macht, oder andere Projekte nach hinten stellt nur um den Auftrag platzieren zu können.

Vernunft ist also eher etwas das für Arbeitgeber und Auftraggeber gelten sollte, aber aus meiner Sicht nicht für den Bewerber!

 

Arbeit sollte nicht nur den Lebensstandard sicher, sondern auch Freude machen.

Die Lust wecken sich einzubringen, was natürlich einen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitern voraussetzt.  

Sie sollten das Gefühl haben, das man auf Augenhöhe interagiert, den Horizont erweitert und gemeinsam Projekte verwirklicht, die das Fortbestehen des Unternehmens, sowie auch die eigene dauerhafte Beschäftigung sichert.

 

Selbst wenn Sie Wechsel im Lebenslauf haben, zeugt das aus meiner Sicht nur von einem erweiterten Erfahrungsschatz, denn jedes Unternehmen arbeitet anders.

 

Entschuldigen müssen Sie sich nur bei sich selbst, und zwar für jede verpasste Chance endlich anzukommen, indem man entweder zu lange in einer Firma verweilt, die einzig für die Magenschmerzen nach Dienstende verantwortlich ist, oder dafür, dass Sie Ihr sprichwörtliches Licht unter den Scheffel stellen.

 

Seien Sie, die beste Version von sich selbst und gestatten Sie niemanden hieran Kritik zu üben!

 

Wenn Sie nicht an sich glauben – wer dann?!